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…Philipp Gottwald, Fahrradkurier bei RADsFATZ

Philipp Gottwald
Philipp Gottwald, 39, fährt im Stadtgebiet von Freiburg im Breisgau auch Medikamente aus. Foto: privat

Wenn Philipp Gottwald, 39, in diesen Tagen Medikamente im Stadtgebiet Freiburg im Breisgau ausfährt, reagieren die Kunden unterschiedlich. „Viele ältere Menschen fühlen sich einsam. Sie möchten sich mit mir unterhalten und laden mich auf einen Tee ein“, erzählt er. Andere seien dagegen enorm vorsichtig und ließen ihn nicht mal mehr ins Haus.

Dann lege er die Medikamente auf den Treppenabsatz, der Kunde könne sie sich nehmen, sobald er weg ist. Grundsätzlich, so betont Gottwald, achte er darauf, die allgemeinen Maßnahmen einzuhalten: Er betritt keine Wohnungen mehr, hält den nötigen Abstand ein und Rechnungen werden nicht mehr unterschrieben.

Eigentlich ist Philipp Gottwald hauptberuflich Förster, empfängt Schulklassen im heimischen Wald bei Freiburg. Zusätzlich führt er ein selbstständiges Garten- und Landschaftsbauunternehmen. Doch die Liebe zum Radfahren brachte ihn 2008 zum regionalen Fahrradkurier RADsFATZ. Dort arbeitet er auf Minijobbasis und liefert neben sensiblen Dokumenten oder Laborproben auch Medikamente. „Das Kurierfahren finanziert mir mein Hobby.“ Acht Räder stehen bei ihm in der Garage.

Als alleinerziehender Vater von drei Kindern braucht er ein gewisses Einkommen. Gerade jetzt, wo das Waldhaus wegen der Schulschließung pausieren muss und Gottwald in Kurzarbeit ist. Als Kurier radelt er der Krise entgegen und tut auch noch etwas Gutes: Bringt Medikamente zu jenen, die sie benötigen.

Der Kontakt zu den Kollegen fehlt

Als Held fühlt er sich nicht, weil ihm der Job so viel Spaß macht. Ein Ausgleich, für den er dankbar ist. Aber RADsFATZ habe die Krise stark getroffen, sagt Gottwald. Die Auftragslage habe sich halbiert, Fahrten wurden storniert, Studentenjobs ausgesetzt. Das Unternehmen achte darauf, dass Mitarbeiter bevorzugt eingesetzt werden, die davon leben müssen.

Darüber hinaus fehlt Gottwald besonders der Kontakt zu Kollegen und der Fahrrad-Community. Sonst haben sie sich häufig getroffen, gefeiert, sind zu Wettbewerben gefahren. Die diesjährige deutsche Meisterschaft der Fahrradkuriere hätte in Freiburg stattfinden sollen, sie wurde abgesagt. Letztes Jahr siegte Gottwald noch in der Kategorie Lastenfahrrad.

Doch Gottwald erkennt einen positiven Trend in der Krise: „Ich sehe plötzlich Menschen an Orten im Wald, die sonst komplett verwaist sind“. Sie nehmen sich Zeit für sich und entdecken plötzlich Neues. „Mein Sohn fährt neuerdings Mountainbike, das hat er früher nie ausprobiert.“ Auch werden Menschen kreativ darin, Lösungen zu finden. Workshops werden über Skype organisiert und Schulen steigen auf Onlineunterricht um.

Er habe durch die Krise gelernt, dass nichts selbstverständlich ist. „Ich wünsche mir, dass diese Achtsamkeit für sich und für andere, die entstanden ist, bleibt“, sagt er. Gottwald freut sich darauf, mit dem Rad wieder völlig frei durch Europa radeln zu können. Mal eben zum Käsekauf nach Frankreich rüber. Das ist sein Plan für die Zeit nach Covid-19.

Dieser Artikel von Maya Morlock erschien am 27.04.2020 in Tagesspiegel Background unter dem Titel …Philipp Gottwald, Fahrradkurier.

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